Ich versuch's mal so zu erklären, wie ich mir das Ganze merke.
Hoher P bedeutet schnelleres Regeln bei Abweichen vom Soll, zuviel würde heißen er regelt über - beim Copter kommt’s zu einer schnellen Oszilallation. Wie würde sich das beim Grill bemerkbar machen?
Richtig. Der P-Anteil wirkt ja direkt linear zur Abweichung. Großes Kp bedeutet also schnellere Änderung des Pitmasterwerts bei Änderung der Abweichung. Überregelt wird nur, wenn das System nicht schnell genug auf den Pitmaster reagiert. Nun kann der Pitmaster nur maximal 100% betragen. Ein Kp von 5 bedeutet daher, dass bei 100/5 = 20 °C Abweichung der Pitmaster allein durch den P-Anteil "vollläuft". Jede Abweichung über 20 °C ändert also nichts mehr am Pitmasterwert, weil das Maximum schon erreicht ist (lässt man mal I und D außer betracht). Anders herum heißt es aber auch, dass unter 20 °C Abweichung zu Soll bereits angefangen wird den Pitmaster zu senken. 20 °C sind schon recht viel, deshalb ist das Verhalten hier eher langsam. Ein SousVide-Becken, mit Heizmatte, wo die Wassertemperatur direkt auf eine Änderung der zugeführten Leistung reagiert, kann man z. B. mit einem Kp = 100 betreiben. Also sehr schnell/dynamisch, da bis kurz vor Erreichen der Solltemperatur noch mit maximaler Leistung gearbeitet werden kann und das System sehr schnell reagiert. Ähnlich zu deinem Copter. Ein Kohlegrill macht da nicht mit. Hast du ja selbst schon gemerkt. Da dauert es einfach, bis das System auf die Änderung am Lüfter reagiert, allein schon wegen den Strecken zwischen Lüfter und Grillrost. Außerdem erfolgt der Energieeintrag nur indirekt, da wir eigentlich kalte Luft ins System pusten, die dann wiederum am Grillrost für eine höhere Temperatur sorgen muss. Deshalb ist hier ein Kp = 20 (also Abweichung 5 °C) schon sehr schwer zu erreichen. Nichtsdestotrotz sollte das Ziel sein, ein möglichst hohes Kp zu erreichen, indem man die Luftführung optimiert, wie wir das bei dir schon gemacht haben. Ansonsten hat man ein träges System und einen trägen Regler, das kommt nicht wirklich gut.
I regelt die Stabilität, beim Gasgeben und weg vom Gas sollte die Nase gerade bleiben - wieder beim Copter. In der Mini-Anleitung steht es ähnlich, dort ist 0.005 angeben als default, bin ich da mit 0.01 nicht schon zu hoch und würde das evtl. das Schwingen erklären? Du meintest evtl P auf 15 und I müsste auch höher. Würde das System nicht mehr schwingen?
Passt auch soweit. Ohne den I-Anteil, würde das System immer schwingen, weil es die Solltemperatur nicht halten kann. Der P-Anteil wird ja zu Null, sobald die Temperatur der Solltemperatur entspricht. Um die Temperatur zu halten, muss ja aber Energie zugeführt werden. So sollte es zumindest sein. Gerade bei Keramikeiern hat man das Phänomen, dass man hier durch die Speicherwirkung der Keramik ein natürliches I hat. Das macht es dem Regler aber nicht unbedingt einfacher. Eine simple Kugel, bei der die Temperatur ungefähr so schnell fällt wie sie steigt, lässt sich technisch gesehen viel besser regeln. Solang die Temperatur aber bei Pitmaster 0% fällt im Ei, geht es auch da. Der I-Anteil wirkt nicht unmittelbar auf die Temperaturabweichung sondern auf die Summe aller Temperaturabweichungen seit Beginn. Dabei verrechnen sich positive und negative Abweichungen miteinander. Es zählen aber nur Abweichungen, bei denen der Regler nicht eh schon auf 0% oder 100% steht.
Der Idealfall eines Grill-Reglers wäre nun: Beim Aufheizen ergibt die Summe der Abweichungen (bezogen auf die Aufheizzeit) mal Ki genau den Pitmasterwert, den man konstant brauchen würde um eine Temperatur zu halten. So lang es keine Störung von außen gibt, müsste ein System ja immer auf der selben Temperatur bleiben, wenn man genau die Energie reinsteckt, die durch Verluste weggeht. Sagen wir mal, zum Halten von 100% bräuchte dein Ei einen Pitmasterwert von 10%. Dann sollte Ki so ausgelegt sein, dass die Summe der Abweichungen bis zu der Solltemperatur mal Ki genau die 10% ergibt. Deshalb ist Ki so klein. Weil sich in der Aufheizphase sehr viele Abweichungen aufsummieren. Beim Copter ist Ki vermutlich viel größer. Hier wird viel schneller "aufgeheizt", also ist die Summe der Abweichungen nicht so groß. Die Ki = 0,005 vom Standardprofil sind ein guter Einstieg und eher am unteren Ende des Möglichen. Deine Ki = 0,01 reichen in den meisten Fällen aus. Bei einem PI-Regler, agiert der I-Anteil nun häufig gegen den P-Anteil. Damit er das kann, muss er an den P-Anteil angepasst sein. Wird der Regler dynamischer, also Kp hoch, muss auch meist Ki etwas mitwachsen, weil ja auch die Heizphasen und damit die Summe der Abweichung kleiner werden. Der Energiebedarf für eine Zieltemperatur bleibt hingegen ja gleich. Ein leichtes Einschwingen am Anfang kann auf ein etwas zu großes Ki hindeuten. Allerdings wirken hier P und I zusammen. Das macht das getrennte Betrachten schon schwierig.
D „schaut“ in die Zukunft und versucht gegenzuregeln bei Abweichungen. Hier wieder die Mini-Anleitung mit einem Wert von 6.
Der D-Anteil ist mit Vorsicht zu betrachten. Die meisten Systeme würden mit einem PI-Regler auskommen, wären da nicht gewisse Störungen am System (Deckelöffnung, Wind etc.) Der D-Anteil wirkt auf die Änderung einer Abweichung, also am schnellsten von allen drei Anteilen. Gefährlich ist es deshalb, weil eine Vorhersage schnell mal falsch sein kann, das System wird durch einen D-Anteil also meist unruhig und ganz schnell instabil. Beim Copter sollte das noch kritischer sein, als am Grill. Auch hier kann man sich die Wirkung von Kd wieder sehr schön rechnerisch vorstellen. Die kleinste messbare Abweichung bei den WLANThermos ist 0,1 °C. Ein Kd von 100 bewirkt also eine spontane Änderung des Pitmasterwerts von 100 * 0,1 = 10%, wenn die Temperatur am Fühler nur leicht "wackelt". Das ist schon viel. Eine Änderung von 1 °C reicht demnach den Pitmaster komplett von 0% auf 100% zu ändern. Natürlich muss dieses 1 °C innerhalb von zwei Messungen passieren. Beim Aufheizen passiert das aber schnell. Der D-Anteil kann die Heizphasen also etwas drosseln, man sollte da aber nicht übertreiben, aus dem angesprochenen Verhalten.
Liegen die Default Werte wegen der Hardware so weit auseinander?
Hier haben sich mit der Zeit einfach verschiedene Erfahrungswerte ergeben. Es gibt nicht den einen guten Regler, meist ist es ein Feld aus verschiedenen Parametersätzen, die alle ein stabiles Regelverhalten bewirken.
Und was macht der Jump Power genau? Die hat’s es zwar erklärt in einem Post, aber verstanden habe ich es leider nicht.
Wenn ein System sehr träge reagiert und der Pitmaster-Aktor im Vergleich dazu viel Leistung hat, dann kommt es sehr schnell zu einem Überschwingen während des Aufheizens. Als Gegenmaßnahme sollte die Leistung des Aktors gesenkt werden. Das geht über DCmax. Nun will man aber nicht immer den Aktor klein halten, denn im späteren Regelverhalten, beim Halten der Temperatur, ist eine große Leistung gar nicht schlecht. Kleine Abweichungen können dann schnell ausgeglichen werden. Aus diesem Grund haben wir "Jump Power" eingeführt. Hier wird die Leistung des Aktors nur für den Zeitraum eines Sollsprungs gesenkt, und zwar bezogen auf DCmax. Ein Sollsprung besteht immer, wenn die Abweichung zwischen Isttemperatur und Solltemperatur bei Aktivierung des Reglers mehrere Grad beträgt.