Hi
@Cholericker,
der im Nano (wie auch im Mini) verwendete Regler ist ein PID-Regler. PID steht für Propotional, Integral und Differenzial, dabei handelt es sich um die drei Teile, anhand derer aus dem Vergleich von Soll- und Isttemperatur die Vorgabe für den Aktor (Pitmasterwert) bestimmt wird. Kp, Ki und Kd sind die Koeffizenten dieser drei Teile.
Propotional:
Der Proportionalanteil wirkt wie der Name schon sagt proportional zur Soll-Ist-Differenz. Ist die Differenz groß, so ist es auch der P-Anteil. Bei der Berechnung des Pitmasterwerts wird die Differenz direkt mit Kp multipliziert. Ein großer Kp-Wert lässt den Pitmasterwert bei einer Änderung der Temperaturdifferenz also schnell ändern. Der Regler hat also eine hohe Dynamik. Ist die Solltemperatur genau erreicht, wird der P-Anteil aber zu Null, daher kann der P-Anteil alleine eine Temperatur auf dauer nicht halten.
Integral:
Der Integralanteil hingegen "merkt" sich was bisher geschehen ist, indem die vergangenen Temperaturdifferenzen aufsummiert werden. Ki wird mit dieser Summe multipliziert. So kann die Temperatur auch bei Erreichen der Solltemperatur gehalten werden. Ein großes Ki macht den Regler träger, weil er nicht so schnell auf Änderungen reagieren kann.
Differenzial:
Der Differenzialanteil betrachtet im Gegensatz zum Integralanteil nicht das bisherige, sondern versucht das nächste Geschehen vorherzusehen, indem er sich die Änderung der letzten Temperaturdifferenz anschaut. So kann der Differenzialanteil schnell auf Änderungen wirken, kann den Regler aber auch sehr schnell aus dem Gleichgewicht bringen, indem er falsch "vorhersagt". Der Regler wird dann instabil.
Den Pitmasterwert (von 0 bis 100 %) bestimmt der PID-Regler am Ende aus der Summe dieser drei Anteile, wobei jeder der Anteile auch negativ sein kann. PID-Regler kommen in etlichen Systemen zum Einsatz, daher findet man dazu jede Menge Literatur, wenn man sich da genauer einlesen möchten. Für die meisten Grillsysteme reicht in den meisten Fällen schon ein PI-Regler (also ohne den D-Anteil) aus, da der PI schon zum Halten der Solltemperatur ausreicht. Der zusätzliche D-Anteil kann z. B. zur Reduktion des ersten Überschwingers oder zum Ausgleich von Sonderfällen wie eine Deckelöffnung beitragen.
Den einen Satz an Kp, Ki und Kp-Werten gibt es nicht, weil der PID-Regler immer im Zusammenhang mit der Regelstrecke, also dem Grillsportgerät, steht. Plausible Wertebereiche im Grillsport sind:
Kp: 2,0 - 100,0
Ki: 0,0 - 0,5
Kd: 0,0 - 1000
Ein Kp = 2 würde bedeuten, dass bereits ab einer Differenz von 50 °C angefangen wird den Pitmasterwert zu senken. Dieser Regler ist also sehr träge und in diesem Fall macht es mehr Sinn das Sportgerät zu optimieren (Fremdluftquellen verringern, bessere Luftzufuhr, bessere Energiezufuhr etc.). Für Holzkohle-Grillgeräte ist ein Kp von um die 10 erstrebenswert. Bei Kp = 10 wird erst 10 °C vor Erreichen der Solltemperatur der Lüfter gedrosselt, der Regler ist also eher dynamisch und dennoch bleibt eine gewisse Zeit in der das Kohlefeuer auch reagieren kann. Ein SousVide-Becken, was mit einer Heizmatte betrieben wird, kann im Idealfall auch mit einem Kp = 100 betrieben werden. Hier wird dann erst 1 °C vor Solltemperatur heruntergeregelt, was nur machbar ist, wenn auch die Regelstrecke entsprechend schnell reagieren kann.
Der Ki-Wert hängt stark mit dem gewählten Kp zusammen sowie mit der Reaktionszeit der Regelstrecke. Reagiert ein System schnell, kann ein höherer Ki-Wert gewählt werden, da sich die Summe der Differenzen nicht so stark aufbaut. Träge Systeme brauchen eher ein kleineres Ki, da der Regler sonst ebenfalls sehr träge wird. Für Holzkohle-Grillgeräte liegt Ki meist im Bereich von 0,01 - 0,1. Ki muss so gewählt werden, dass das System nachher nicht zu sehr um die Solltemperatur schwingt (in dem Fall ist Ki meist zu groß).
Die Größe des Kd-Werts kann man sich am besten anhand der Berechnung des D-Anteils herleiten. Ändert sich die Temperatur zwischen zwei Messungen um 0,1° bewirkt ein Kd von 1000 eine Änderung des Pitmasterwerts um 100 %. Das ist in den meisten Anwendungsfällen unerwünscht, weil der Regler dann nur zwischen 0% und 100% hinundher springt. Ein brauchbarer Kd-Wert liegt in der Größenordnung 100 - 400, wenn er überhaupt gebraucht wird.
Wie finde ich nun die beste Einstellung für mein Sportgerät?
Hier gibt es mehrere Herangehensweise. Wichtig ist aber in allen Fällen, dass das Sportgerät überhaupt erstmal regelbar gemacht wird. Das lässt sich leicht überprüfen: Die Temperatur des Grillgeräts muss fallen, wenn der Pitmasterwert auf 0% steht. Ist das nicht in allen Fällen gegeben, kann auch ein Regler mit den besten Koeffizienten nichts machen. Andersrum muss das Grillgerät auf eine Steigerung des Pitmasterwerts auch mit einer Erhöhung der Isttemperatur reagieren. Gelten diese Grundregeln, kann man sein Sportgerät noch dahingehend optimieren, indem man es schnell auf Aktoränderungen reagieren lässt. Umso dynamischer kann nämlich der Regler ausgelegt werden.
Eine gute Herangehensweise ist dann erstmal mit einem der Standardprofile zu starten und sich das Regelverhalten anzuschauen. Passt es noch nicht, kann man Kp oder Ki in kleinen Schritten anfangen anzupassen. Alternativ kann man auch die Autotune-Funktion des Nano (nur V1 / V1+) nutzen und die K-Werte vom Nano berechnen lassen. Auch hier sollte man sich im Nachgang aber die berechneten Werte einmal auf Plausibiltät überprüfen, da der Autotune-Prozess leicht durch unerwartete Ereignisse gestört werden kann.
Fehlt noch der Parameter "Jump Power". Das ist kein genereller Parameter eines PID-Reglers, sondern eine Spezialentwicklung für Grillanwendungen. Ein gut eingesteller PID-Regler, der die Solltemperatur stabil hält, muss nicht zwingend auch ideal für das erste Anfahren der Solltemperatur oder einen Solltemperaturschwung sein. Das sind unterschiedliche Ereignisse und bedürfen im Einzelfall verschiedene Datensätze. Um zu vermeiden, dass man zwischen verschiedenen K-Werten wechseln muss, wurde "Jump Power" testweise eingeführt. In den meisten Fällen ist der eingestellte PID einfach zu dynamisch für den Sollsprung, sodass es zu einem deutlichen Überschwinger kommt. Mit "Jump Power" kann man, nur für den Sollsprung, die Leistung des Aktors beschränken. Bei 100% entspricht die maximale Power dem eingestellten DCmax-Wert. 50% wären entsprechend die halbe Power von DCmax. Natürlich könnte man auch DCmax generell absenken, dass betrifft dann aber das komplette Regelverhalten. Hat man also den Fall, dass es bei einem Solltemperatursprung zu einem starken Überschwinger kommt, kann man versuchen durch senken der Jump Power diesen Überschwinger zu reduzieren.
So, das ist jetzt viel Text und ich wollte das schon längst mal aufschreiben und dokumentieren. Ist noch lange nicht vollständig. Das Thema ist auch leider nicht in 3 Worten erklärt (also zumindest ich kann es nicht
). Wer sein Sportgerät ernsthaft im Regelverhalten optimieren will, der sollte sich etwas Zusatzliteratur zum Thema PID-Regler besorgen und dann mit diesem Wissen ein paar Testläufe mit seinem System machen. Andernfalls sollten die Standarddatensätze bei den meisten Grillanwendungen schon sehr passable Ergebnisse liefern und wenn nicht, dann postet man am besten ein Foto vom in der Cloud dokumentierten Regelverhalten hier im Forum, sodass sich die "Experten" mal dazu äußern können und Tipps zur Änderung der K-Werte geben können.
Gruß
Steffen